Solidarität & Erfolg: Oikocredit-Partner BPCS (Teil 1)
Solidarität ist wichtig – nicht nur, aber mehr denn je, in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie. Welche Rolle Gruppenkredite dabei spielen können und wie Oikocredit und ihr Partner BPCS solidarisch zusammenarbeiten, um Menschen auf dem Weg in ein besseres Leben zu unterstützen, davon erzählt dieser Bericht aus Brasilien.
Teil 1 (von 2)
Brasilien ist mit mehreren Millionen Infizierten und (gegen Ende August) weit über 100.000 Toten von der Covid-19-Pandemie stark getroffen. Benachteiligte, ärmere Bevölkerungsgruppen und Gemeinschaften leiden besonders. Mit Organisationen zusammenzuarbeiten, die sich für diese Zielgruppen einsetzen, gehört zum Konzept von Oikocredit. Während der Pandemie ist zusätzliches Engagement gefragt – sowohl von der Genossenschaft und ihren Mitarbeiter*innen vor Ort, als auch von den Partnerorganisationen selbst. Eine von ihnen ist die brasilianische Nichtregierungsorganisation BPCS (Banco do Povo Crédito Solidário), mit der Nicolas Viedma, Senior Investment Officer von Oikocredit in Brasilien, auch jetzt in regelmäßigem Kontakt steht. Er ist beeindruckt von der Arbeit, die die Kolleg*innen von BPCS leisten: „Sie schaffen es, auch unter strenger Beachtung der Abstands- und Hygieneregeln für ihre Kund*innen in der Krise da zu sein und sie engmaschig zu betreuen.“ Eine kleine Spende aus Oikocredits Coronavirus-Solidaritätsfonds habe zusätzlich dabei geholfen, dass BPCS 100 Kleinstunternehmer*innen mit Hygienesets ausstatten konnte, „damit sie“, so Viedma, „die Covid-19-Vorschriften einhalten und ihre Geschäfte weiterführen können“.
BPCS: Herausforderungen durch Covid-19
In der Metropolregion São Paulo, in der BPCS tätig ist, habe es eine sehr starke erste Welle von Covid-19-Fällen gegeben, sagt BPCS-Geschäftsführer Fabio Maschio. „Das führte dazu, dass nicht lebenswichtige Aktivitäten für mehrere Wochen eingestellt wurden. Unsere Kund*innen sind hauptsächlich Kleinstunternehmer*innen, die meisten von ihnen kreativ und flexibel, sie sind es gewohnt, ihre Unternehmen täglich an wechselnde Bedürfnisse anzupassen. Manche von ihnen haben schon bald damit begonnen, Masken herzustellen, Hygieneprodukte zu vermarkten, ihre Lebensmittelservices unter Corona-gerechten Lieferbedingungen anzubieten oder Hochrisikogruppen bei ihren täglichen Einkäufen und Aktivitäten zu unterstützen. Auch wir bei BPCS haben uns angepasst, damit wir weiterarbeiten können. In den Filialen wurden Abstandsregelungen eingeführt und wir haben die Anzahl der Gruppensitzungen begrenzt.“ BPCS habe auch ihre Genehmigungsverfahren verändert, erläutert Fabio Maschio, um unnötige Besuche von Kreditsachbearbeiter*innen zu vermeiden. In vielen Fällen machten sie nur kurze Besuche, um den regulären Geschäftsbetrieb zu überprüfen, und achteten dabei sehr genau auf die Einhaltung des nötigen Abstands.
Eigenes Modell für Unternehmer*innen
BPCS, 1997 gegründet, bietet Finanzdienstleistungen für Kleinst- und Kleinunternehmen in der südöstlichen Metropolregion von São Paulo und ist als eine der führenden Kreditgeber*innen Brasiliens für ihre soziale Wirksamkeit anerkannt. Oikocredit wurde durch das besondere Solidaritätsmodell auf BPCS aufmerksam; seit 2015 arbeitet man zusammen. BPCS hat ein Modell für Solidaritätsgruppen entwickelt, bei dem Darlehen an eine Gruppe von vier bis sieben Kleinunternehmer*innen vergeben wird, die dann die Mitverantwortung für den gesamten geliehenen Betrag übernehmen. Zwar biete BPCS auch Einzelkredite an, aber Solidardarlehen seien für über 90 Prozent der Kund*innen der bevorzugte Weg, so Maschio.
Eine solche Solidaritätsgruppe kann sich aus Nachbar*innen, Freund*innen oder Geschäftspartner*innen, nicht aber aus Mitgliedern desselben Haushalts zusammensetzen. Hat sich die Gruppe zusammengefunden, organisiert BPCS erste Treffen, um ihre Pläne und Bedarfe besser zu verstehen und den Teilnehmer*innen ihre gemeinsamen Verpflichtungen zu erklären. Erst danach wird das Darlehen an die Mitglieder der Gruppe ausgezahlt.
Mehr Sicherheit in der Gruppe
Kleinunternehmer*innen brauchen bei diesem Modell im Unterschied zu Individualkrediten keine Garantien oder Sicherheiten einzubringen. Zudem ist es in Sonderfällen auch möglich, einen Kredit zu bekommen, wenn jemand bereits eine negative Kreditgeschichte aufweist, erläutert Fabio Maschio. Das erfolge jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Bis zu zwei Mitglieder einer neuen Kreditgruppe können eine negative Verbraucherkreditgeschichte haben. Sind sie beispielsweise mit der Rückzahlung einer Rechnung in Verzug und warten auf Einnahmen aus ihrem neuen Geschäft, können sie während dieser Zeit von den anderen Mitgliedern der Gruppe unterstützt werden.
Maschio: „Durch die Methode der solidarischen Gruppenkredite können wir Kredite am unteren Ende der Vermögenspyramide in Brasilien vergeben.“ Ganz allgemein könnten Gruppenkredite dazu beitragen, die Ängste vor einer Kreditaufnahme zu überwinden, da sich die Kreditnehmer*innen in einer kleinen Gruppe sicherer fühlten und miteinander austauschen könnten. Gruppenkredite seien auch für neu gegründete Unternehmen sinnvoll, in denen die Unternehmensgründer*innen noch keine Geschäftshistorie vorweisen können – was wiederum bei vielen konventionellen Banken Voraussetzung dafür ist, einen Kredit zu bekommen.
„Power of Union": Was Frauen schaffen
Besonders für Frauen sei die Methode der Solidaritätsgruppen von Vorteil und ein wichtiges Instrument zur Stärkung ihrer Rolle, erklärt Fabio Maschio. „Frauen machen 63 Prozent unserer Kundschaft aus. Innerhalb der Gruppen finden sie geeignete Wege, Einkommen zu erwirtschaften, für ihre Familien zu sorgen und andere Aktivitäten in der Gemeinschaft zu entwickeln.“ Die Wahl eines eigenen Gruppennamens übrigens zeige, was die Gruppe für sie bedeute; oft erinnere er an Kriegerinnen, versinnbildliche Stärke und Glauben. „Der Name ist immer auch symbolisch und verweist auf den täglichen Kampf jeder einzelnen Frau“, sagt Maschio.
„Power of Union" – so nennt sich die Kreditgruppe von Helena de Jesus Oliveira. Davon, was solche Gruppen bewirken können, haben Helena de Jesus Oliveira und Cristiane Monteiro, beide Kundinnen von BPCS, uns erzählt. Ihre Geschichte weden wir im zweiten Teil dieses Berichts am Freitag, 04.09.2020, hier teilen.
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