Kaffee, Kakao und das Coronavirus
Hans Perk, Regionaldirektor Afrika, spricht im Interview über die aktuellen Herausforderungen für Kaffee- und Kakaobäuer*innen.
Wir haben mit Hans Perk, Oikocredit-Regionaldirektor für Afrika und Spezialist für den globalen Agrarsektor, über Kaffee- und Kakaolieferketten gesprochen. Wie können wir dafür sorgen, dass einkommensschwache Menschen nach der Eindämmung des Coronavirus von diesen Lieferketten verstärkt profitieren?
Wie wird sich die Covid-19-Krise auf die Kaffee- und Kakaobäuer*innen auswirken?
Millionen von Bäuer*innen sind für ihren Lebensunterhalt von unseren täglichen Genussmomenten abhängig. Soziale Distanzierung und Ausgangsbeschränkungen in den Erzeuger- und Verbraucherländern haben bereits weitreichende Folgen für die Bäuer*innen. Die Schließung der Grenzen, der langsame Umschlag in den Häfen, der Mangel an Containern und Schiffen und die Schließung von Verarbeitungsbetrieben haben zu Zahlungsverzögerungen geführt.
Für einen Impact Investor wie Oikocredit wird es immer schwieriger, das Risiko einer Investition abzuschätzen, zum Beispiel bei der Registrierung von Dokumenten zur Bearbeitung eines Darlehens. Einige Impact Investoren haben die Finanzierung der Landwirtschaft ganz eingestellt.
Da Restaurants, Cafés und Bars in vielen Teilen der Welt geschlossen sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich dies in niedrigeren Preisen und gekündigten Verträgen von internationalen Käufern niederschlägt.
Gibt es ein Problem mit der derzeitigen Struktur der Lieferketten?
Was in Krisenzeiten schmerzhaft deutlich wird, ist die Abhängigkeit von den internationalen Märkten und die schwache Verhandlungsposition von Kooperativen und Bäuer*innen. Kinderarbeit und Entwaldung, um nur zwei der Nachhaltigkeitsthemen zu nennen, können nur dann ernsthaft angegangen werden, wenn wir in der Lage und bereit sind, den wahren Preis der Produktion zu zahlen. Dies sollte die sozialen und ökologischen Kosten einschließen und eine langfristige Perspektive einnehmen, die langfristige Handelsbeziehungen fördert.
Im Laufe der Jahre haben wir viele Alternativen gesehen, die zum Teil eine Lösung bieten. Die Zertifizierung bietet zum Beispiel einen höheren Preis für eine verbesserte soziale und ökologische Leistung. Aber das ist immer noch nur ein kleiner Teil des Marktes.
Sind der faire Handel und die Biobäuer*innen vor Problemen auf den Massenmärkten abgeschirmt?
Ganz klar: Nein. Die Märkte für Spezialitäten und zertifizierte Produkte werden wahrscheinlich zuerst betroffen sein. Ironischerweise sind dies die Märkte, in die viele Landwirt*innen und ihre Erzeugergenossenschaften investiert haben, um sich von den Massengütermärkten zu diversifizieren, da sie bessere Preise und stabile Käuferbeziehungen anstreben.
Die Bäuer*innen werden sich vielleicht bald fragen, welchen Mehrwert ihre Genossenschaft bietet und warum sie in die Zertifizierung investiert haben. Aufgrund der sozialen Distanzierung kann die Genossenschaft keine Treffen und Schulungen abhalten. Viele Bäuer*innen sind auch von der Anbindung an den Markt abhängig, die die Genossenschaft zusammen mit ihren Barzahlungen bietet.
Es ist abzusehen, dass die Genossenschaften, wenn die Coronavirus-Pandemie weitergeht, wir aber nicht unsere Solidarität zeigen, am Ende so sehr geschwächt sein werden, dass es noch mehr Zeit brauchen wird, das, was über viele Jahre aufgebaut wurde, wiederherzustellen.
Was könnte die Kaffee- und Kakaoindustrie tun, um die Situation zu verbessern?
Glücklicherweise gibt es viel, was in Zusammenarbeit zwischen den Kooperativen und den Bäuer*innen, den Geldgebern, der Zivilgesellschaft, dem Privatsektor und den Regierungen getan werden kann. Es gibt vier Dinge, die ich heute für am dringlichsten halte:
(1) Die Abhängigkeit der Bäuer*innen von internationalen Cash Crops verringern. Viele Bäuer*innen sind in hohem Maße von Cash Crops abhängig, also von landwirtschaftlichen Produkten, die für die internationalen Märkte und nicht für die Selbstversorgung angebaut werden.
(2) Schaffung von Werten und Entwicklung von Märkten in den Herkunftsländern. Die Gewinnspanne bei Kakao und Kaffee wird am Ende der Lieferkette erzielt, oft in wohlhabenderen Ländern.
(3) In Kooperativen investieren. In den ländlichen Gebieten Lateinamerikas und Afrikas erbringen Genossenschaften und andere bäuerliche Organisationen die wesentlichen Dienstleistungen an Orten, die keine andere Organisation oder Regierung erreichen kann.
(4) Die anfallenden Kosten der Produktion tragen. Da Steuerung und Durchsetzung von Sozial- und Umweltgesetzen verbesserungsbedürftig sind, brauchen wir einen neuen Ansatz zur Verbesserung der Preise, der über freiwillige Standards hinausgeht.
Diese Ideen sind nicht besonders neu. Aber ich glaube, dass die Krise, in der wir uns heute befinden, uns einen neuen Impuls gibt, um in diesen Fragen zum Handeln aufzurufen.
Und was könnte Oikocredit Ihrer Meinung nach dazu beitragen?
Oikocredit spielt bereits eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Genossenschaften, die wiederum Hunderttausende von Mitgliedern haben, und kann eine wichtige Rolle als Katalysator und Vorreiterin bei der Unterstützung der von mir beschriebenen Initiativen spielen.
Ich denke, dass Oikocredit und ihre Anleger*innen sich mit unseren Partnerorganisationen solidarisch zeigen und ihnen durch diese Krise helfen werden, indem sie ihnen die Mittel zur Verfügung stellen, die sie brauchen. Auf diese Weise werden wir in der Lage sein, den Partnern zu helfen, die die Unterstützung in dieser Zeit am meisten brauchen.
Archiv > 2020 > April
- 30. 04. 2020 - Kaffee, Kakao und das Coronavirus
- 24. 04. 2020 - Aktuelle Informationen in unserem Newsletter
- 16. 04. 2020 - Impact Investoren verpflichten sich, einkommensschwache Gemeinden in der Covid-19-Krise zu unterstützen
- 09. 04. 2020 - Soziale Wirkung in Zeiten der Pandemie: Wie Oikocredit Partnern bei der Bewältigung der Krise hilft
- 07. 04. 2020 - Es geht nicht nur um Wachstum
- 07. 04. 2020 - Schützen Sie sich vor Online-Betrug in Zeiten der Corona-Pandemie. Tipps für Anleger*innen
- 06. 04. 2020 - Fragen und Antworten zu Oikocredit im Kontext der Corona-Pandemie